Was das Anti-Müller-Hormon über die Fruchtbarkeit der Frau verrät.

Von Franziska Eich |

Die wenigsten Menschen kennen das Anti-Müller-Hormon. Dabei liefert es wertvolle Informationen für jedes Paar, das gerne ein Kind bekommen möchte. Denn mit dem Anti-Müller-Hormon lässt sich recht genau bestimmen, wie viele Eizellen eine geschlechtsreife Frau produziert. Damit hat es eine große Bedeutung in der Fortpflanzungsmedizin.

Was ist das Anti-Müller-Hormon und was bewirkt es?

Das Anti-Müller-Hormon hat seinen ungewöhnlichen Namen nach dem deutschen Wissenschaftler Johannes Peter Müller erhalten. Müller hat als erster die ebenfalls nach ihm benannten Müller-Gänge entdeckt. Dabei handelt es sich um Einstülpungen im Embryo, aus denen sich im weiteren Verlauf der Entwicklung die weiblichen Geschlechtsorgane entwickeln.

Hier kommt das Anti-Müller-Hormon ins Spiel: Zwischen der achten und der elften Schwangerschaftswoche beginnen die Hoden des Embryos, das Hormon zu produzieren. Es bewirkt, dass sich die Müller-Gänge in der weiteren Entwicklung zurückbilden. Die weiblichen Geschlechtsorgane werden nicht ausgebildet. Stattdessen entwickelt der Embryo die männlichen Geschlechtsorgane. Handelt es sich dagegen um einen weiblichen Embryo, so wird kein Anti-Müller-Hormon gebildet. Es entwickeln sich dann die weiblichen Geschlechtsorgane aus den Müller-Gängen.

Danach tritt das Hormon bei der Frau erst nach der Pubertät wieder in Erscheinung. Jetzt wird es in den Eierstöcken der Frau produziert. Es entsteht dort in den sogenannten Granulosazellen. Sie umgeben die stimulierbaren Eibläschen. Aus diesen Eibläschen entwickeln sich die befruchtungsfähigen Eizellen der Frau. Je mehr Eibläschen vorhanden sind, desto mehr Anti-Müller-Hormon wird in den Eierstöcken der Frau produziert. Und umso höher ist die Konzentration des Hormons im Blut der Frau. Mit zunehmendem Alter produziert die Frau weniger Eibläschen, bis die Fruchtbarkeit schließlich in der Menopause endet. Parallel verringert sich auch die Menge des Hormons im Blut.

Die klinische Bedeutung des AMH-Wertes.

Es besteht damit ein direkter Zusammenhang zwischen der Konzentration des Anti-Müller-Hormons (AMH) und der Anzahl der befruchtungsfähigen Eizellen, die die Frau produziert. Damit ist der AMH-Wert eine wichtige Größe in der Fortpflanzungsmedizin. Man kann anhand des AMH-Wertes feststellen, wie viele befruchtungsfähige Eizellen die Frau produziert und so abschätzen, wie wahrscheinlich eine Schwangerschaft ist. Ist der Wert sehr niedrig oder nahe Null, so produzieren die Eierstöcke der Frau keine befruchtungsfähigen Eizellen mehr und es kann keine Schwangerschaft entstehen.

Der AMH-Wert ist allerdings kein Wundermittel und seine Aussagekraft hat Grenzen. So sagt der AMH-Wert zum Beispiel nichts über die Qualität der Eizellen aus. Er ermöglicht es nur, Aussagen über die Anzahl der Eizellen zu machen, die in den Eierstöcken produziert werden. Natürlich hängt eine erfolgreiche Schwangerschaft auch von der Qualität der vorhandenen Eizellen, der Qualität des Spermas und vielen anderen Faktoren ab.

Anhand des AMH-Wertes lassen sich aber noch mehr Rückschlüsse ziehen.

Weitere Anwendungen des AMH-Wertes bei Frauen:

  • Man kann feststellen, ob die Eierstöcke durch eine Chemo-Therapie oder durch Strahlung geschädigt sind.

  • Man kann bei Frauen, die sich auf die Menopause hin bewegen, die hormonelle Situation einschätzen.

  • Die Wirksamkeit einer hormonellen Stimulation oder Überstimulation kann bestimmt werden.

  • Zyklusstörungen können identifiziert werden.

  • Die Chancen einer künstlichen Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation) können bestimmt werden.

Klinische Bedeutung des AMH-Wertes bei Männern:

  • Bei Unfruchtbarkeit

  • Untersuchung der Hodenfunktion

Klinische Bedeutung des AMH-Wertes bei Kindern:

  • Vorzeitige Geschlechtsreife

  • Hodenhochstand

  • Pubertätsbeginn

  • Fehlende oder funktionsunfähige Hoden

Der AMH-Wert ist ein wertvolles Werkzeug in der Fortpflanzungsmedizin.

Mit dem AMH-Wert hat die moderne Medizin ein wertvolles Werkzeug in der Hand, mit dem sich die Fruchtbarkeit einer Frau sehr genau bestimmen lässt. Man kann ziemlich genaue Aussagen machen, wie weit eine Frau noch vom Erreichen der Menopause entfernt ist und wie groß die ovarielle Funktion der Eierstöcke noch ist. Darüber hinaus liefert der AMH-Wert auch bei Kindern und Jugendlichen sowie Männern wertvolle Hinweise auf bestimmte Funktionsstörungen der Geschlechtsorgane. Frauen, die das 35 Lebensjahr überschritten haben und noch schwanger werden wollen, sollten in jedem Fall den AMH-Wert bestimmen lassen.